Vorderasien

Battlefield Bethlehem 🇮🇱

Heute müsst ihr stark sein und einmal tief durchatmen. Das Bild von Jesus und seinen Jüngern, wie er friedlich mit seiner Belegschaft nach Bethlehem reist …- …vergesst es! Bethlehem ist der „abgefuckteste“ Ort, den ich bis jetzt erlebt habe.

Die politische Grenze zwischen Israel und Palästina verläuft direkt durch Bethlehem. Im Gegensatz zu dieser israelischen Mauer wirken die Freedom Wall in Belfast 🇬🇧 oder die Berliner Mauer 🇩🇪, wie Legosteine. Dieser Betonkoloss ist bis zu 12 Meter hoch und übersehen mit Stacheldrahtzäunen und Scharfschützen. Es gibt einige Tore, die teilweise geöffnet sind und eine Chance bieten, das verfeindete Territorium zu betreten. Versehen sind die Tore mit riesengroßen, bedrohlichen, roten Schildern, dessen Aufschrift lautet:

Palestinian Authority Territory –

The Entrance for Israeli Citizens Is Forbidden – Dangerous To You Lives“

Mein Guide begleitet mich bis zu den besagten Toren, aber keinen einzigen Meter weiter. Als „neutraler“ Bürger könnt ihr beide Seiten der Grenzmauer besuchen, aber das mulmige Gefühl im Magen kann euch niemand nehmen. Die Betonmassen sind übersehen von zahlreichen Graffitis (sogenannten Murals), deren Botschaften von faszinierend, friedlich und wunderschön bis zu vollkommen beängstigend und schockierend gehen. Richtig fordernd für Geist und Seele sind die Anblicke der ausgebrannten Fahrzeuge, den Einschusslöchern oder den Granatsplittern, aus den jüngsten Bombenanschlägen.

Diese Mauer wurde Anfang des 21. Jahrhunderts gebaut und geht quer durch Wohnanlagen und Straßen hindurch. Ich denke, wir können uns nicht annähernd vorstellen, was dieses Werk, für die ansässige Bevölkerung bedeutet. Zwangsumsiedelung, Trennung von Familien und Freuden, Verlust des Arbeitsplatzes und eine komplette Einschränkung der Freiheit.

Offiziell dient dieser Irrsinn dem Schutz vor Terrorismus und wurde zum Wohl der Bewohner gebaut, mir läuft es allerdings kalt den Rücken hinunter, wenn ich mir das vor Ort ansehe. Meine Bilder wurden ausnahmslos auf der israelischen Seite aufgenommen, auf der Seite der Palästinensischen Autonomiegebiete würde ich vom Fotografieren momentan abraten. Übrigens; einige der Murals wurden vom bekannten Künstler Banksy kreiert und erlangten Kultstatus.

Ob Jesus noch mal durch dieses moderne Schlachtfeld entlangspazieren würde? Wohl weniger, aber zumindest gibt es ja noch die perfekt erhaltene Altstadt von Bethlehem, die von den Kriegsschauplätzen noch halbwegs verschont blieb.

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Der wohl wichtigste Ort für das gesamte Christentum befindet sich direkt am Hauptplatz: die Geburtskirche Jesus Christus (Church Of The Nativitiy). Es ist ausgeschlossen euch nur ansatzweise zu erklären, was ich hier erlebt und empfunden habe, dafür sind die richtigen Worte noch nicht erfunden worden. Ich werde dennoch mein allerbestes geben und starte mit dem Besuch der Kirche.

Im Dezember befindet sich vor den Toren der Kirche der berühmteste Weihnachtsbaum der Welt. Im Augenblick beträgt die Temperatur sage und schreibe mehr als 40 °C, die Sonne brennt gnadenlos herunter und lässt meinen gesamten Körper vor sich hin dehydrieren. In den Weihnachtsfeiertagen ist es nur wesentlich kühler, also eine doch etwas gewöhnungsbedürftige Vorstellung von Weihnachten. 30 Grad, absolut schneefrei, mit einem Glühwein in der Hand, „Oh Tannenbaum“ singen …

Betreten wir gemeinsam die bedeutendste Kirche des Christentums. Um eurer bildlichen Vorstellung etwas zu helfen: Die israelischen Kirchen sind mit mitteleuropäischen nicht vergleichbar. Diese Gotteshäuser sind ein Labyrinth aus unterschiedlichen Räumen und Gängen. (Diverse Altäre, unzählige Kapellen, eigene Gebetshäuser, unterirdische Grotten, Katakomben usw.). Die Gebäudestruktur ist stark verwurzelt, unübersichtlich und mehrstöckig, das heißt man läuft unwiderruflich in Gefahr sich vollkommen zu verlaufen. Noch dazu sind die Kirchenkomplexe frei von Elektrizität. Das bedeutet, dass sie nur mit Öllampen beleuchtet werden, was eine unvergleichbare, düstere Finsternis kombiniert mit einer gespenstigen Atmosphäre auslöst.

Wir betreten die Geburtskirche und folgen einer, endlos wirkenden Menschenschlange, die sich durch die verschiedenen Räume und Hallen gebildet hat. Natürlich wollen wir wissen, wo all diese Leute hinwollen und kämpfen uns durch die Dunkelheit und werden ständig von den angenehmen Aromen, des Weihrauches, begleitet. Es herrscht weder Hektik oder Unruhe noch eine unangenehme Lautstärke. Am Ende der Schlange entdecken wir den Altar, auf dem Jesus geboren wurde. Die Pilger knien sich auf den Boden, küssen ihre offene Handfläche und legen diese anschließend, für einen kurzen Augenblick, auf den Altar. Und nun brechen alle Dämme. Nachdem die gläubigen Pilger den heiligen Ort geküsst haben, fallen sie einander in die Arme und brechen in Tränen aus. Wir stehen gefesselt da, beobachten diese unbeschreiblichen Emotionen.

Wie bereits erwähnt: Die richtigen Worte wurden noch nicht erfunden. So unspektakulär meine einfachen Sätze sich auch lesen mögen, die Emotionen, die am Grab Jesus Christus geboren werden, sind für die vielen Gläubigen, die aus allen Teilen der Erde nach Bethlehem pilgern, unbeschreiblich.

Bethlehem liegt nur fünfzehn Kilometer von Jerusalem entfernt. Man kann diesen historischen Ort auf eigene Faust erkunden, aber ich würde euch raten, eine geführte Halbtagestour zu buchen. Gebt bei der Buchung acht: Fast alle Anbieter führen euch in die religiöse Innenstadt, aber wollt ihr auch die Grenzmauer sehen, dann wählt eine alternative Tour.