Nordamerika

Quentins Kirche (CA) 🇺🇸

Wir befinden uns im Mitten der kalifornischen Wüste ungefähr 40 Kilometer vom nächstliegenden, kleinen Ort entfernt und besuchen ein weißes, verfallenes Gebäude, in dem „Hollywood Geschichte“ geschrieben wurde. „Diese Frau verdient ihre Rache, und wir verdienten den Tod“. Zitat aus? Na, wer weiß es?

Es gibt wohl nur wenige Regisseure, die ihre Filme so markant umsetzen wie Quentin Tarantino. Kultstatus, dekoriert mit zahlreichen Auszeichnungen, kontrovers diskutiert, signifikant für ultrabrutalen Szenen … – …  egal, ob man seine Werke liebt oder verurteilt, für viele Experten und Cineasten zählt er zu den besten und einflussreichsten Regisseuren der Film-Geschichte. Während meines kalifornischen Roadtrips durch die trockene Einöde wollte ich Teil dieses Mysteriums werden und besuchte deswegen die berühmte Kirche seines Meisterwerkes: Kill Bill – Volume 1.

Das Gotteshaus diente als Hochzeitskapelle, in der ein blutiges Massaker verrichtet wurde, dessen Umsetzung so brutal in Szene gesetzt wurde, des es nur in Schwarz/Weiß über die Leinwände dieser Welt lief. Vorort erlebte ich eine Begegnung der besonderen Art.

Als ich die kleine Kapelle erreichte, überfiel mich zuerst einmal die pure Enttäuschung. Die weiße Kirche war verwahrlost, zerfallen, eingezäunt und ein rostiger Truck versperrte den Eingang. Deprimiert und selbst zweifelnd streifte ich unsicher um die Ruine herum, bis ein älterer, schmieriger Mann mir aufgeregt zuwinkte. Völlig allein, am berühmten Arsch der Welt gefangen, vollkommen isoliert von der Außenwelt, ohne jeglichen Netzempfang oder Kontakt zur Zivilisation und von schäbigen Gebäuden und verrosteten Fahrzeugen umzingelt …. .

Vermutlich nicht die erfolgversprechendste Gegend, um einen fremdartigen Mann kennenzulernen. Der Verstand sagt: Ab ins Auto und schnell weg von hier, die Neugier sagt: Na, ja, was kann schon unliebsames passieren? Während ich versuchte meinen persönlichen Twist zu lösen, wurde ich bereits in ein Gespräch verwickelt und bin im Nachhinein unheimlich dankbar, diesen Menschen kennengelernt zu haben.

Die verwahrloste Person war sowohl der Pfarrer als auch der Besitzer der Blutkapelle. Er war gerade mit einigen Renovierungsarbeiten beschäftigt, was seinen chaotischen Look erklärte. In der folgenden Stunde erzählte er mir seine ganze Lebensgeschichte und die Wahrheit über diesen Drehort. Der Pastor wurde in Guatemala geboren und erlebte eine dunkle Vergangenheit mit kriminellen Tätigkeiten und Drogenkonsum. Ihm war bewusst, dass er die Kontrolle über sein Leben zurückerlangen musste, sonst blieben ihm nur mehr drei Optionen: Jail, Hospital or Death. Wiederholt zählte er mit seiner rechten Hand die drei Möglichkeiten auf: Gefängnis, Krankenhaus oder Tod.

Sämtliche Therapien versagten und der endgültige Schritt zum Suizid war nicht mehr weit entfernt. Nach Jahren der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit und des Schmerzes betrat er in seiner Heimat eine Kirche und begegnete Gott. Ein zweisamer Moment, ein kurzer Dialog, ein kleiner Augenblick seiner Aufmerksamkeit und er war völlig frei und wieder voller Hoffnung. Mein persönlicher Bezug zur Religion hält sich in Grenzen, aber verdammt noch einmal, ich habe ihm jedes einzelne Wort geglaubt. Wie sollte sonst so eine abrupte Verwandlung möglich sein? Er widmete sich nun auch beruflich der Religion, wurde Pastor, wanderte in die USA aus und landete durch Umwegen in der kalifornischen Wüste.

Der Pfarrer beichtet mir, dass vereinzelt Touristen vor seiner Kirche auftauchen, um den Schauplatz zu fotografieren. Weil sich viele respektlos verhalten, stellt er seinen Lastwagen direkt vor der Kirche ab. Hollywood hin oder her, es ist ein Gotteshaus und soll auch dementsprechend behandelt werden. Wenn er das Gefühl bekommt, die Besucher interessieren sich für mehr, als nur für ein paar schnelle Schnappschüsse, öffnet er die Tore und lädt jeden in seine Kapelle ein.

Zum Glück erhielt ich diese persönliche Einladung, diesen wundervollen Austausch und zum Abschied auch noch zwei besondere Geschenke. Der Pastor montierte die Gitterstäbe ab, fuhr seinen Truck zur Seite, damit ich die Kapelle in vollen Zügen genießen konnte. Abschließend überreichte er mir eine Bibel mit der Widmung: „Never forget your moment at the kill bill church“.

Die signifikaten Joshua Trees in der kalifornischen Einöde

Das Haus wurde in den 30er-Jahren errichtet und diente ursprünglich als Gemeindesaal. Erst im Laufe der 60er-Jahre wurde der Glockenturm angebracht und in ein religiöses Gebäude umgestaltet. Die signifikanten Joshua Trees und die trostlose Umgebung waren hauptverantwortlich dafür, dass die Kapelle als Drehort diverse Produktionen diente 🎬:

  • 1983: Gefährliche Beichte (OT: True Confession): Robert DeNiro, Robert Duvall
  • 1999: Inferno (OT: Desert Heat): Jean-Claude Van Damme
  • 2000: Nurse Betty: Renée Zellweger, Morgen Freeman
  • 2002: Crossroads: Britney Spears
  • 2003: Kill Bill Volume 1 & 2: Uma Thurman, Michael Madsen

Fun Fact: Wer sich gerne die Kapelle von Innen ansehen möchte, muss nicht unbedingt diese lange Reise auf sich nehmen 😉: Talking Heads – Road To Nowhere (1985) ⬇ 🎧

Know Before You Go: Besucher sind jederzeit willkommen, allerdings wünscht sich der Inhaber eine gewisse Form von Respekt. Die Talking Heads nannten ihren Welthit nicht umsonst: „Road To Nowhere“, den die Kapelle liegt 100 Kilometer nördlich von Los Angeles und ist nur mit einem Mietwagen zu erreichen.