Europa

Kiev Underground 🇺🇦

Adrenalin im Überfluss, eine schauerliche Atmosphäre, gespenstische Augenblicke, einzigartige Erlebnisse, verborgene Entdeckungen. Unter den asphaltierten Straßen der ukrainischen Millionenstadt Kiew spürt man die jüngste Geschichte des Landes so intensiv, dass sich meine Erinnerungen auch noch in diesen Tagen fest in meine Haut eingebrannt haben. Vladyslav Suvorow, CEO und Gründer von Urbex Tour, entwickelte eine Form der Stadterkundung, die weltweit einzigartig ist. Willkommen in einem Trip durch die mitreißende Vergangenheit Kiews.

In den frühen Morgenstunden treffen wir Max an einer abgelegenen U-Bahn-Station südwestlich des Zentrums von Kiew. Bevor ich in die Ukraine gereist bin habe ich Max von Urbex Tour kennengelernt. Max bezeichnet sich selbst als „Digger“ dessen Leidenschaft es ist, die unvergesslichen Narben Kiews auf eine außergewöhnliche Art und Weise zu präsentieren. Wie legal oder illegal diese Vorgehensweise eigentlich ist, möchte ich nicht beurteilen. (Die Dokumente, die ich vorab unterschrieben habe, erzeugten jedenfalls einen seriösen Eindruck 😅).

Ja, heute habt ihr das Privileg, uns zu begleiten! Nein, ich übernehme keine Verantwortung, jeder ist für sein Tun und Handeln selbst verantwortlich. Eure Entscheidung! Die Mutigen folgen uns und die Hosenscheißer warten bereitwillig auf mein nächstens Nebengeräusch 🥱.

Ein britisches Pärchen ist auch mit von der Partie und wir nutzen unsere Wartezeit, um uns einander ein wenig zu beschnuppern und unsere Ideen und Erwartungen zu ergänzen. Während unseres Austausches verdunkelte sich der Himmel innerhalb weniger Sekunden und ein maskierter Mann sprang per Hechtsprung aus einem klassischen 80er-Jahre Gangster Lieferwagen heraus, welcher mit quietschenden Reifen und hoher Geschwindigkeit um die Kurven bretterte. Let me introduce myself: My name is Max! (Okay, der Teil mit dem Himmel und dem direkten Hechtsprung ist womöglich ein klein wenig übertrieben, aber wie heißt es so schön: Einige Szenen wurden aus dramaturgischen Gründen geändert 😏).

Max startet mit einer detallierten Sicherheitseinschulung … – … – … 30 Sekunden später sind wir bereit. (Ehrlich gesagt nicht wirklich, aber egal, wir sind viel zu aufgeregt für vernünftige Vorträge zum Thema Sicherheit und Schutz und wollen endlich loslegen). Ausrüstungscheck: Taschenlampe, schnittfeste Handschuhe, Schutzstiefel und so eine Art Strampelanzug. Startbereit geht es Richtung Einstieg. Das Thema „Einstieg“ muss ich kurz erläutern: Ein kleiner, dubioser Gully Deckel, irgendwo zwischen verlassenen Häusern, der nur mit voller Manneskraft geöffnet werden kann. (Ja, sogar wir haben unseren Beitrag dazu geleistet). Runter mit euch! Das Thema „Runter“ muss ich kurz erläutern: Eine klapprige, rostige Leiter, die von einem aromatischen Geruch begleitet wird und deren Ende man nicht kommen sieht.

Ach, ihr wollt unbedingt zuerst, na dann! Das ist schon ein geiles Feeling, oder? Nach einer gefühlten Ewigkeit des Kletterns endlich wieder Boden (oder irgendeine schlammige, flüssige Masse) unter seinen Füßen zu spüren ? Durchzählen: 1-2-3-4 alle da! Hey, nicht mit der Lampe ins Gesicht blenden! Riecht ihr das? Das sind … 🤢 ah, lassen wir das lieber. Nachdem sich der Adrenalinspiegel etwas gesenkt hat, bietet sich der richtige Zeitpunkt für ein paar hilfreiche Informationen an. Das gesamte Tunnelsystem ist plus/minus 190 Kilometer lang und wird von den Diggern laufend aufs Neue erforscht. Obwohl Max sein halbes Leben in diesen Tunneln verbracht hat, konnte er erst einen Bruchteil erkunden. Er zeigt uns seine selbst konstruierten Karten, in denen er versteckte Räume und Geheimgänge markiert hat. (Zu unserer Beruhigung sind auch Notausgänge dokumentiert … – … zumindest vermuten wir es 🤔).

Der Großteil der Tunnel wird gegenwärtig nicht mehr als Abwassersystem verwendet, deswegen hat der eklige Geruch andere Gründe, welche wir aber nicht näher erläutern möchten. Unser Gang wird immer enger, die Masse des Wassers, welches uns entgegenschießt, immer mächtiger und mittlerweile kriechen wir auf allen Vieren durch die Dunkelheit. Wir gewöhnen uns langsam an die Stille und diese komplette Abgeschiedenheit. Wir vertrauen Max und folgen ihm blind durch die finstere Unterwelt. Über zwei Stunden erstreckt sich unser erstes Abenteuer. Wir kriechen, robben, klettern Leitern empor, spielen mit dem „Echo“ und spüren die, kontinuierlich stärker werdenden, Schmerzen in unserem Körper.

Kurz bevor wir wieder das Licht der Welt erblicken, hat Max noch eine Überraschung für uns. Wir betreten einen großen, stockdunklen Gang und Max beginnt mit dem Aufbau seines Equipments: Stativ, Kamera, Leuchtraketen. Der Beginn eines sensationellen Fotoshootings, in dem wir als Model dienen. One oft the greatest moments in my life.

Wenn ihr jetzt im Glauben seid, das Abenteuer sei damit abgeschlossen, dann muss ich euch korrigieren. Max lässt seinen Gangster Lieferwagen vorfahren, um uns zu einem verlassenen Hinterhof eines Industriegebietes zu chauffieren. Passt bitte auf wo ihr hintretet. Scharfe Kanten, rostige Nägel und zerbrochene Scherben zieren das Bild des abgeschiedenen Geländes. Unser Ziel ist eine dicke Stahltür, welche durch ein Eisenschloss verriegelt ist. Wie sollen wir da bitte hineinkommen? Dynamit, Flex, Sprengkörper? …- … wonach sucht Max jetzt so seelenruhig? Ah, er hat einen Schlüssel 🤔! (Diese Zugänge werden von der Polizei versperrt. Die Digger knacken die Schlösser und tauschen sie gegen ihre eigenen aus). Max beichtet uns, dass er seine Route spontan planen muss, da dieser Schlosstausch nicht selten wieder rückgängig gemacht wird.

Was uns hinter dieser Stahltür erwartet ist der absolute Inhalt meiner intimsten Träume. Wir folgen ihm quer durch dieses Schlachtfeld, immer tiefer und tiefer in das Gebäude hinein. Max hat vor wenigen Wochen einen ehemaligen KGB Bunker entdeckt. Max: „Hierher führe ich nur Leute, die nicht aus der Ukraine stammen und keine politischen Absichten haben“ (Er will dieses Schmuckstück so lange wie möglich geheim halten). Der blanke Wahnsinn!

In den verlassenen Räumen befinden sich unzählige Utensilien aus dem Kalten Krieg. Massenweise Holzkisten, die wir mit dem geeigneten Werkzeug aufbrechen. Die Ruhe ist gespenstisch und nur mithilfe unserer Taschenlampen können wir in der absoluten Dunkelheit das Material durchstöbern. Bücher, Zeitschriften, Landkarten, Alarmsysteme, Funkgeräte, Medizinkoffer, Atemschutzmasken etc. alles, aber auch wirklich alles, was das Entdecker-Herz begehrt.

Weiß der Henker, wann ich mich schon einmal so frei gefühlt habe. Ja, frei! Frei, in einem ehemaligen KGB Bunker unter den Straßen von Kiew. Vandalismus? Fehlanzeige! Vollkommen unberührt, alles im Originalzustand …- …ohne Worte, einfach nur ohne Worte. Auch diese Momente müssen bedauerlicherweise irgendwann einmal ihr Ende finden. Auf dem Rückweg beichtet uns Max, dass die Polizei bzw. das Militär vermehrt einmal einen Digger erwischt und die Zugänge versperrt und er deswegen gezwungen ist seine Heimatstadt immer weiter und weiter zu erkunden.

ABC Schutzmasken
Abwasserkanal
KGB Bunker Lager
KGB Bunker Labyrinth
UdSSR Anleitung
ABC Schutzanzug
Toys
UdSSR Anleitung
Premium Exit

Know Before You Go: Urban Explorer bietet verschiedene Touren in der Ukraine an. Das Leitbild der Digger: Wir veröffentlichen keine Koordinaten oder Wege, um in Objekte zu gelangen. Wir legen Wert auf Sicherheit und Vermächtnis. Machen Sie nur Bilder, hinterlassen Sie nur Fußspuren. Visit Website!