Europa

Die Ewige Flamme 🇷🇺

Wolgograd (ehem. Stalingrad) ist eine moderne, russische Millionenstadt, deren brutale und tragische Vergangenheit in jeder Minute spürbar ist. Der Besuch der damaligen Schlachtfelder forderte seinen Tribut. Nur sehr wenige Gefechte in der Geschichte der Menschheit können sich mit den epischen Ausmaßen des Gemetzels in Stalingrad messen. In einem monatelangen Hagelsturm aus Blut und Stahl kämpften zwei ideologische Imperien ums Überleben und markierten den Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg.

Im Laufe der Jahre habe ich einige bedrückende Gedenkstätten besucht. „Sowjetunion Über Alles“ in Belarus 🇧🇾, „Ewiger Dank An Die UdSSR“ in Georgien 🇬🇪 oder „Stolz Auf Die UdSSR“ in Lettland 🇱🇻. An all diesen Orten siegte die Stärke, der Stolz und der Triumph, aber in Wolgograd ist es anders. Die Stimmung ist deprimierend und beängstigend, solch eine niedergeschlagene Gemütslage habe ich noch nie erlebt. Vor Ort schwebt nur Trauer, Leid und Zorn in der Luft …- … keine Touristen, keine Schaulustigen, keine geführten Reisegruppen. Nur die Verwandten und Freunde, die ihre Liebsten im Zuge dieser Schlacht verloren haben, besuchen diese Gedenkstätte.

Während die Besucher ihre mitgebrachten Rosen ablegen, glitzern die Tränen in ihren Augen. Damit ihr die schwerwiegende Atmosphäre leichter verstehen könnt, stelle ich euch ein Video, der „Ewigen Flamme“ zur Verfügung.

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Was ihr nun gesehen habt, sind junge, russische Soldaten, die 24/7 patrouillieren. Diese Halle nennt sich The Eternal Flame und ist eine große Gedenkanlage, nur unweit der ehemaligen Schlachtfelder entfernt. 700.000 Menschen wurden im Zuge der Einkesselung getötet. Allein in dieser Gedenkhalle sind 7.000 Namen, der gefallenen Soldaten, in Stein gemeißelt. Die Hintergrundmusik stammt interessanterweise von einem deutschen Komponisten.

 Ich stehe in dieser Halle und mein Herzschlag passt sich den Schritten der Soldaten an. Er wird immer lauter und lauter …- … sie kommen näher und näher und übernehmen die Kontrolle. Meine Augen beobachten die Gesichter der wenigen Besucher und ich fühle ihre Tränen, fühle ihre Trauer und ich fühle ihre Wut. All die möglichen negativen Gefühle treffen hier zusammen, ich bin nur mehr Passagier dieser tragischen Geschichte.

Die ewige Flamme befindet sich etwas außerhalb der Millionenstadt Wolgograd, am Mamajew Hügel. Am zentralen Punkt des Hügels steht die Mutter-Heimat-Statue. Sie ist doppelt so groß wie die berühmte Freiheitsstatue 🇺🇸 und gehört zu den mächtigsten der Welt. Wie ihr an den Fotos erkennen könnt, begrüßt sie mich in Ketten gelegt, denn man versucht ihren Tot zu verhindern. Offiziell wird sie das erste Mal seit ihrer Geburt restauriert, inoffiziell versucht man, das Unvermeidbare zu stoppen. Einige Teile der Statue sind bereits heruntergefallen und sie droht endgültig in sich zusammenzubrechen.

Durch die saisonale Erosion gibt der Boden unter ihren Füßen nach, das Regenwasser rinnt nicht mehr konstant ab und es bilden sich kleine Höhlen und Löcher. Im Nachhinein betrachtet bin ich dankbar, die Chance bekommen zu haben, sie noch zu bewundern, obwohl die Enttäuschung überwiegt, diese wunderbare Statue so verletzt vorgefunden zu haben.

Es gibt unzählige, weitere große Statuen und Monumente, die dieser Schlacht gedenken. Mitunter findet man auch eine Gedenkwand, welche hunderttausende Namen enthält. Das kann man sich nur schwer vorstellen: Eine schwarze Marmorwand, in der mehrere hunderttausend Opfer verewigt sind, die exakt hier, am Fuße dieses Hügels gefallen sind.

Wer die Wolga entlang spaziert, trifft auf das Pawlow Haus. Ein wahrhaftiges Relikt aus der umkämpften Zeit. Die Einschusslöcher der Maschinengewehre und die Sprenggewalten der Granaten sind noch heute deutlich zu erkennen. 1942 nahm der Zug von Sergeant Yakov Pavlov dieses Wohnhaus in Besitz, indem er die deutschen Invasoren gewaltsam vertrieb. Von den dreißig russischen Soldaten überlebten diesen
Sturmangriff nur vier. Nun war Sergeant Pavlov der Höchstdekorierte und hatte den Befehl, das Gebäude bis zum letzten Mann zu verteidigen.

Über zwei Monate verschanzten sich die russischen Kämpfer mit einer Handvoll Zivilisten in ihrer Festung und wehrten unzählige deutsche Angriffe ab. Sie verbarrikadierten Türen und Fenster, umzingelten das Gebäude mit Stacheldraht und Minen und installierten Maschinengewehre. Während der Kampfpausen schlichen sich weitere russische Soldaten ein, um die Verteidiger mit Munition und Nahrung zu versorgen.

Das Pawlow Haus wurde das Symbol des russischen Widerstandes und sorgte für unfassbare Verluste auf der gegnerischen Seite. Die Deutschen verloren beim Versuch diesen herkömmlichen Wohnblock einzunehmen, mehr Männer, als bei der gesamten Eroberung von Paris 🇫🇷. Sowohl der Soldat als auch die Zivilisten überlebten die zweimonatige Belagerung und wurden schließlich durch einen Gegenangriff russischer Truppen in Sicherheit gebracht.

Das Pawlow Haus im ehemaligen Schlachtfeld Stalingrads

Know Before You Go: Die Ewige Flamme befindet sich zwischen den Gedenkstätten des Zweiten Weltkrieges am Mamajew Hügel. Durch einen 45-minütigen Spaziergang von Zentrum Wolgograds aus ist die Halle einfach zu erreichen und rund um
die Uhr geöffnet. Visit Website!