Südamerika

Geisterschiff El Desdemona 🇦🇷

Ushuaia, Argentinien: die südlichste Stadt unserer Erde, das, nicht nur sprichwörtliche „Ende der Welt“. Das Tor zur Antarktis oder wie die Briten sagen würden „In the back of beyond“ … – … oder wie ich es bevorzugen würde „Am Arsch der Welt“! Was zur Hölle führt mich dort hin? Die Antwort: das dämonische Geisterschiff „El Desdemona“!

Bevor wir mit der Reise zu unserem Geisterschiff starten, bin ich euch noch ein wenig Klugscheißern schuldig. Diesmal aus meiner Lieblingskategorie: „Wer gab dir diesen Namen?“ Das südamerikanische Land Argentinien verdankt seinen Namen einem chemischen Element. Wenn man kurz darüber nachdenkt, kann man das Rätsel vielleicht sogar selbstständig lösen. Chemisches Element? Die Abkürzung unseres gesuchten Begriffes ist Ag, lateinisch für Argentum. Korrekt, gesucht wurde Silber. Während der spanischen Kolonialzeit erhoffte man sich hier zahlreiche Edelmetalle zu finden.

Im Moment befinden wir uns in Patagonien (dem südlichsten Teil Südamerikas). Der Seefahrer Ferdinand Magellan entdecke diesen traumhaften Teil der Erde und benannte ihn nach einer fiktiven Gestalt, dem Riesen Pathagón, aus einer seiner Lieblingsnovellen.

Das Wrack der El Desdémona liegt gute 200 Kilometer von jeglicher Zivilisation entfernt. Meine einzige Möglichkeit war es, in Ushuaia einen Wagen zu leihen und das Abenteuer in Angriff zu nehmen. Die dreistündige Anfahrt würde ich als minimal abenteuerlich beschreiben, allerdings braucht sich niemand um fehlende Orientierung oder den Verkehr zu sorgen. Die Fahrt war so unheimlich einsam und abgeschieden und ich musste genau ein einziges Mal rechts abbiegen, um mein Ziel zu erreichen. 

Um 04.00 Uhr ging es los. Die ersten zwei Stunden Fahrzeit durch die Dunkelheit Patagoniens waren durch Euphorie und Vorfreude begleitet, aber die letzten 40 Kilometer „Offroad“ über eine Schotterstraße hatten es in sich. Aufrecht sitzend versuchte ich verzweifelt die Umrisse der Schlaglöcher zu erkennen … f**k … der arme Mietwagen. 

Langsam wurden die Kilometer zum Ziel weniger und der Himmel begann bereits leicht zu leuchten. Nur noch einige, hunderte Meter …   und dann erblickte ich sie! Was für ein Moment!

Sonnenaufgang am Geisterschiff

Einer dieser Momente, einer dieser Augenblicke, die man sich nur erträumen kann. Das Fahrzeug abgestellt und die letzten hundert Meter, Richtung Strand spaziert. (Okay, ich glaube, ich bin sogar gelaufen, so aufgeregt war ich). Ja und dann? Dann liegt sie vor dir! Herzrasen, Schnappatmung und unerklärliche Glücksgefühle. Ein, über einhundert Meter langer Riese, aus Eisen und Stahl.

Entgegen jeder Prognose war die Sonne bereits am Horizont zu sehen und dieser eiskalte Atlantikwind, der über die Küste hindurch fegte, sorgte für eine zusätzliche Gänsehaut. Vor lauter Lachen habe ich mir vermutlich die Mundwinkeln gezerrt und meine Stimme wurde durch meine peinlichen „Jubelorgien“ schnell heiser. Haltet ihr mich für verrückt? Vielleicht, was soll’s, aber einen Moment, den ich nie wieder vergessen werde.

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Aber keine Sorge, niemand hört oder sieht dich hier. Wir befinden uns ja schließlich am Ende der Welt. Am vielleicht einsamsten Ort der Welt? Wer weiß es schon? Okay, so idyllisch ruhig ist es ehrlich gesagt nicht, diese unglaublich hohe Anzahl an Guanakos (= wohl eine Kreuzung aus Lama und Kamel) und das ständige Gewusel der argentinischen Kampfüchse sorgen für reichlich Betrieb. (… wie unheimlich laut diese Guanakos schreien können …)

argentinischer Kampfuchs
wovon er wohl träumt?
Guanako
wo versteckt es sich?

Kleine historische Randnotiz: Die El Desdémona wurde in Hamburg gebaut und segelte als Handelsschiff nach Südamerika. Bereits 1983 wurde sie vor der Küste Buenos Aires’ stark beschädigt. Ein Blitzschlag zerstörte das Navigationssystem und sie lief auf Grund. Die Besatzung konnte sich dennoch befreien und navigierte das Schiff nach Feuerland, zur Südspitze Argentiniens, weiter.

Als auch noch der Motor ausfiel, versuchte der Kapitän mit geringer Geschwindigkeit den Hafen von Ushuaia anzusteuern. In der Werft konnten die Schäden nicht repariert werden, trotzdem setzte die Besatzung ihre Reise fort. Wie wir nun allerdings wissen, kamen sie nicht mehr allzu weit. Die Göttin aus Eisen und Stahl lief erneut auf eine Sandbank auf, Wasser drang ein und die Menschen brachten sich in Sicherheit. Seit bald vierzig Jahren ruht dieses märchenhaften Gemälde vor sich hin und zu meinem großen Glück blieb jeglicher Bergungsversuche erfolglos. 

Know Before You Go: Das Wrack kann bedenkenlos auf eigene Faust erkundet werden. Einige hundert Meter nördlich liegen die Überreste des Leuchtturmes Cabo San Pablo, welcher als guter Orientierungspunkt dient. Startet zeitig mir der Erkundung, die Gezeiten nehmen keine Rücksicht auf euren Schönheitsschlaf.